23.11.2006, 21 Uhr: Schauburg Bremen
Bremer Freiheit 34. Heimspiel: Radio Bremen
Die Geschichte Bremens aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Es ist eine Geschichte großer Erfolge und rasanter Pleiten, es ist eine Geschichte von Männern mit Visionen und Frauen, die ihr Gerechtigkeitssinn in den Kerker bringt, es ist die Geschichte eines jahrhunderte langen Kampfes um die eigene Identität und Selbständigkeit. Ein kleines Wunder, dass es Bremen immer noch gibt.
Stimmen zum Film: Jens Fischer
Bremer Geschichte in zwei Teilen
Regie: Susanne Brahms und Michaela Herold
Redaktion: Thomas von Bötticher
Kamera: Mathias Brüninghaus
Regie-Assistenz: Katrin Hensel - Ovenden
Schnitt: Heidi Leihbecher
Szenenbild : Heike Lauer
Animation : Ralf Post
Am Anfang waren die Bücherstapel und Aktenberge. Über ein dreiviertel Jahr – mindestens! – zählten schwere Folianten zur Tages- und Bettlektüre: Bremer Verfassungsgeschichte, die Säuglingssterblichkeit im 19. Jahrhundert, die Geschichte des Bremer Freimarktes, Dokumente zur Fälschung von Chroniken im Mittelalter, Unterlagen zur Verkehrsentwicklung um 1900... Wir nahmen alles in die Hand, was uns interessant und viel versprechend erschien. Dann kam der eigentliche, schwierige Teil der Arbeit. Wie aus diesem Wust von Informationen ein paar klare Linien destillieren? Wo die Zeitabschnitte setzen? Vorgabe war nur: zwei Teile daraus zu machen, zweimal 45 Minuten Fernsehdokumentation. Sollte der erste Teil das Mittelalter abbilden, der zweite die Neuzeit? Dieser Gedanke stößt schnell an die filmische (Un-)Umsetzbarkeit: Vom mittelalterlichen Bremen haben zwei Weltkriege und die Modernisierungswelle der 50er bis 70er Jahre nicht viel übrig gelassen. Es gibt also kaum noch Orte in Bremen, an denen man das mittelalterliche Bremen authentisch aufleben lassen könnte. Und natürlich weder Filmdokumente noch üppiges Fotomaterial. Aber kann bremische Geschichte ohne den jahrhundertealten Kampf um die Bremer Freiheit ernsthaft erzählt werden?
Das 19. Jahrhundert - Teil 1
Wir haben uns dann dazu entschlossen, in einem ersten Teil das 19. Jahrhundert darzustellen – denn wieder einmal stand Anfang dieses Jahrhunderts die Bremer Freiheit auf dem Spiel. Exemplarisch zeigen wir, wie die Bremer ihre Freiheit zu verteidigen wussten – dabei wird in einem kleinen Rückblick auch das Mittelalter gestreift. Das 19. Jahrhundert ist immerhin baulich in Bremen noch präsent, so dass wir einige interessante Orte finden konnten, um einen Eindruck der Zeit geben zu können. Historische Filme gibt es aus dem 19. Jahrhundert natürlich noch nicht – deshalb war uns schnell klar, dass wir Komparsen und die Bremer Schauspielerin Gabriela Maria Schmeide verpflichten, die einige entscheidende oder auch anekdotische Szenen der Bremer Geschichte in Spielszenen umsetzen. Doch wie können wir darstellen, dass Bremen ständig von fremden Mächten besetzt war? Von wegen "freieste Stadt der Welt“... Wir haben uns überlegt, die Besatzung symbolisch mit Fahnen darzustellen, und zwar am Domshof, der ja über Jahrhunderte den Bremern gar nicht gehörte: Der Bischof von Bremen, lange Landesherr, lässt eine Fahne vom Dom abrollen, ein schwedischer Reiter prescht mit der Schwedenflagge über den Domshof, die Niedersachsenfahne flattert ins Bild. Die Radio- Bremen-Requisite hat eine Bischofsflagge genäht, unser Komparsenchef hat einen Reiter aufgetrieben, der über den Domshof galoppieren wird. Wir legen die Filmaufnahmen auf den marktfreien späten Nachmittag und sperren weiträumig ab. Nicht gerechnet hingegen haben wir mit der Sturheit Bremer Fahrradfahrer, die trotz hysterisch-winkender Aufnahmeleiter unbeirrt in die Szene fuhren und fast mit unserem Schimmel kollidierten, der - dank neuer Hufeisen und glitschigem Pflaster - ohnehin kaum "bremsen" konnte und nur mit eingekniffenem Hintern über den Domshof zu galoppieren wagte. So gefährlich kann Geschichte sein!
Das 20. Jahrhundert - Teil 2
Das 20. Jahrhundert stellte uns vor allem vor das Problem, Schwerpunkte zu setzen: Zwei Weltkriege, eine Revolution, Wirtschaftswunder, Werftenpleiten... und das alles in 45 Minuten! Wo anfangen zu erzählen, wo aufhören? Im 20. Jahrhundert gibt es Filmdokumente im Überfluss – die Spielszenen, die im ersten Teil noch wesentlich waren, konnten und mussten im zweiten Teil etwas in den Hintergrund treten. Außerdem hatten wir den Ehrgeiz, frühe Filmdokumente aus Bremen aufzuspüren und vorzuführen. Zu diesem Zweck haben wir mit vielen Menschen lange Nachmittage vor ihren privaten Filmsammlungen verbracht und beispielsweise Privataufnahmen des für das frühe 20. Jahrhundert wichtigen Senators Bömers in Badehosen auf Helgoland aufgetrieben. Überraschende Erkenntnis: Selbst in Badehosen erkennt man den Senator! Und wir sind nach Berlin gefahren, ins Bundesfilmarchiv. Eine Behörde mit langen, stillen Fluren und verbeulten Aktenordnern, in die man schwer hineinkommt und bei der man froh ist, wenn man wieder hinaus darf. Einige Schätze haben wir dort aber schon gefunden: Eines der frühesten Filmdokumente aus Bremen überhaupt zeigt eine Demonstration auf dem Osterdeich von 1922. Ganze acht Sekunden, die uns zum Jubeln brachten. So mühsam kann Geschichte sein!
Fazit
Herausgekommen sind zwei Filme über die bremische Geschichte, die Schwerpunkte setzen und vieles weglassen mussten. Unser Schwerpunkt liegt klar auf der politischen und wirtschaftlichen Geschichte des Stadtstaates. Leider konnten wir beispielsweise nicht mehr die Geschichte Werder Bremens unterbringen (schade, schade!); oder die wichtige Rolle der Bremer Kunsthalle für die deutsche Kunstszene nur streifen. Und auch unser Haussender Radio Bremen, der in der Nachkriegsgeschichte eine nicht unwesentliche Rolle spielt, bleibt unerwähnt.
Wir hoffen, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer einiges entdecken, vieles erfahren und ab und zu auch schmunzeln – bevor sie feststellen, was sie alles vermissen.
Die Reihe Heimspiel ist eine Veranstaltung des Filmbüros Bremen e.V. In Kooperation mit der Schauburg Bremen.
Fotos
Fotografin, Katherine Martin
Mail: katherine.(Email-Adresse)