Mai 2017
Filmstart Bremen 03 die Stipendien 2017/18
Das gemeinsame Förderinstrument von nordmedia und Filmbüro Bremen für Nachwuchsfilmprojekte und künstlerische Filme wurde gerade zum dritten Mal vergeben. 37.550 Euro standen diese Jahr zur Verfügung, neun Projekte wurden gefördert.
Die Jury
Edzard Wagenaar, Leitung Sektion Kurzfilm Internationales Filmfest Emden
Roxana Richters, Produzentin Wechselstube Film, Berlin
Bartosz Werner, Regisseur und Dramaturg, Berlin
In einer intensiven, produktiven Sitzung am 21./22.April 2017 hat die Jury über insgesamt 41 Bewerbungen diskutiert und am Ende neun Projektstipendien vergeben.
Schwerpunkt des Projektstipendiums liegt auf der Produktion – sieben Projekte werden in den nächsten Monaten entstehen. Der Notwendigkeit einer gründlichen Projektentwicklung wurde durch zwei Förderungen in diesem Bereich Rechnung getragen.
Thematische geht es um Gamer-Generationen-Konflikte, um Desertion, um die Grauzone eines sexuellen Übergriffes; es gibt die animierte Biografie eines Hauses, ein Beispiel für gelungene und eines für schwierige Integrationsbemühungen, ein Nachdenken über Opfer für die eigene Karriere, ein Eintauchen in das Bremerhaven der 1980er Jahre, sowie ein Experiment in 360°. Wir können gespannt sein und danken der Jury für die engagierte Befassung und Auswahl.
Die Präsentation der Filme erfolgt auf dem Filmfest Bremen.
Gefördert werden durch das Projektstipendium Filmstart 03:
Ničiji Dom: Nevena Savić (Bremen)
7.000 € – Produktion Kurzfilm, Animation und Fiction
Ein Haus in Bosnien, wo ein alter Mann isoliert lebt. Während wir im Realfilm sehen, wie sich Ivicas Zustand zunehmend verschlechtert, zeigen kurze Animationssequenzen Szenen aus seiner Biographie, die mit dem Niemandsort verbunden ist.
Jurybegründung:
„Ein sowohl künstlerisch als auch handwerklich absolut überzeugend gearbeitetes Treatment. Die Geschichte um den alten, vereinsamten Ivica im vielfältig auszudeutenden "Niemandsort" Bosnien, erzählt in einer Collage von Realfilm und Animationsquenzen, ist trotz der herausfordernden künstlerischen Anlage dieses Kurzfilms tief berührend. Ein gelungener Spagat, der Anerkennung, Respekt und ein großes aufgeschlossenes Publikum mehr als verdient.“
Nevena Savić
„Ich wurde 1990 in Zenica, damals noch Jugoslawien, heute Bosnien und Herzegowina geboren. 1992 brach Krieg in Bosnien aus und so kam ich mit meiner Mutter und meiner Großmutter zu meinem Großvater nach Deutschland. Meine Kindheit und Jugend habe ich in Ravensburg, in Süddeutschland verbracht. 2010 kam ich nach Bremen, um Politikwissenschaft zu studieren. Mit meinem Abschluss habe ich realisiert, dass mir inhaltlich die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen, philosophischen und politökonomischen Umständen, die uns als Menschen beeinflussen für mich zwar wichtig ist, die Form wissenschaftlichen Schreibens aber nicht mein Kommunikationsweg ist. Seit 2014 studiere ich an der HfK Bremen Integriertes Design und Freie Kunst und erkunde andere Formate und Möglichkeiten, Inhalte, die mich beschäftigen mit anderen zu teilen."
Nachtbesuch Joanna Vogdt (Berlin), Kinescope (Bremen)
5.600 € – Produktion Kurzfilm
Am frühen Morgen steht eine junge Frau zitternd mit Tränen in den Augen, verschmiertem Make-up und Backpacker-Rucksack vor einem Haus. Was ist passiert? Der Film erzählt eine Geschichte der vorhergegangenen Nacht und beleuchtet eine Grauzone zwischen Missverständnis und sexuellem Übergriff.
Jurybegründung:
„Wo endet einvernehmlicher Sex und wo fängt Vergewaltigung an? Ein Tabu-Thema. Mit dichter Atmosphäre, guten Dialogen und nachvollziehbaren Figuren schafft die Regisseurin Joana Vogdt eine Gratwanderung, die den Zuschauer in der Grauzone seiner Gefühle zurücklässt. Mit leisen Tönen, langsamem Tempo und unaufdringlicher Erzählweise wird der Zuschauer Zeuge eines physischen aber vor allem eines psychischen Übergriffs, der nicht nur Ratlosigkeit und tiefste Verzweiflung in der weiblichen Hauptfigur auslöst. Ein Horror-Trip im Schlafzimmer von nebenan, der den Zuschauer nicht kalt lassen wird.“
Joana Vogdt
studierte an der Filmakademie Baden-Württemberg und der Filmhochschule La Femis, dort absolvierte sie das Ateliers Ludwigsburg Paris. Nach ihrem Studium ging sie nach New York, wo sie für die Produktionsfirma Engel Entertainment an unterschiedlichen Dokumentarfilmen beteiligt war. Zurück in Berlin arbeitete sie als Regieassistentin u.a. bei Wim Wenders und betreute als Produktionsassistentin über ein Dutzend Kinofilme. Es folgten freie Tätigkeiten als Producerin und Dramaturgin.
Seit 2010 arbeitet Joana Vogdt vorrangig als Autorin und Regisseurin an dokumentarischen Filmen und Formaten. NACHTBESUCH ist ihr ersten fiktionales Projekte als Regisseurin und Autorin. 2017/18 ist sie Stipendiatin der Drehbuchwerkstatt der HFF München.
www.joanavogdt.de
Leben (AT) Annette Ortlieb (Bremen)
4.650 € – Projektentwicklung Dokumentarfilm
Zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, die beide mit 19 Jahren entschieden haben, dass sie nicht töten wollen, die sich beide mit Leidenschaft für eine Veränderung der bestehenden Verhältnisse in ihrem Land eingesetzt haben und einsetzen. Ludwig Baumann, 95 Jahre, Deserteur der Wehrmacht. Tair Kaminer, 20 Jahre, Verweigerin der israelischen Verteidigungsarmee. Im Januar 2017 begegnen sie sich in Bremen.
Jurybegründung:
„Das Projekt beleuchtet das wichtige zeitgeschichtliche wie aktuelle Thema Desertion in Einbezug mehrerer Zeitebenen und ermöglicht durch die Beleuchtung multipler Perspektiven eine universelle, über das Einzelschicksal hinaus gehende Auseinandersetzung mit dem Thema. Durch die Gegenüberstellung zweier Schicksale und Generationen wird ein spannender Kontrast hergestellt, welcher gleichzeitig eine mitreißende Entwicklung der Story ermöglicht.“
Annette Ortlieb
Auf Sylt geboren. Studium Erziehungswissenschaften Universität Münster 20 Jahre hauptberuflich Kultur- und PR-Arbeit in Bremen Seit 2003 freiberufliche Filmemacherin: Dokumentarfilm, Kurzfilm und Fotografie.
Wilde Nächte `89 Jan Schmitt (Wiesbaden)
4.000 € – Projektentwicklung Dokumentarfilm
In einer Hafenstadt soll eine legendäre Kneipe dichtgemacht werden, sie steht kapitalen Interessen im Wege. Der Szene-Treff wird verrammelt und zugemauert. Lange hält das nicht. Jugendliche reißen die Mauern ein, Polizei rückt an und plötzlich stehen Väter ihren eigenen Kindern gegenüber.
Jurybegründung:
„"Fishtown" at it's best! "Wilde Nächte '89" bringt ein wertvolles Stück jüngerer Zeitgeschichte zu Tage und schildert eine bunte, zuweilen rabiate aber stets vitale Protestbewegung im Bremerhaven der späten 80er Jahre. In dieser vermeintlich kleinen regionalhistorischen Episode spiegelt sich der Zeitgeist einer ganzen Generation wieder, die sich mit ihrem Widerstand nicht nur gegen die Schließung ihres Jugendtreffs stemmt, sondern gleichermaßen auch gegen den wirtschaftlichen und sozialen Niedergang ihrer Heimatstadt lauthals protestiert. Große Geschichte – erzählt an einem kleinen Beispiel gleich um die Ecke in Bremerhaven. Besser kann man es nicht machen.“
Jan Schmitt
Als freier Autor lebt und arbeitet Jan Schmitt seit 1990 in Berlin, seit 2007 auch in Wiesbaden als Pendler zwischen den Welten. 2016 legt der Regisseur seinen zweiten Film MEIN VATER, SEIN VATER UND ICH vor, der laut Kritik ein „essayistische Wunder von einem zeitgemässen Dokumentarfilm“ (Kino-Zeit.de) ist. Präsentiert wurde der Film 2015 auf dem 64. Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg und dem 11. Festival des Deutschen Filmes in Ludwigshafen. Dieser und sein erster Langdokumentarfilm wurden vom Filmbüro Bremen gefördert: WENN EINER VON UNS STIRBT GEH ICH NACH PARIS".
Ein Stückchen Heimat. Vom Flüchtling zum Cricketmeister Alexandra Hardorf und Christiane Schwarz (Bremen)
4.000 € – Produktion Dokumentarfilm
Aus der Tristesse der Flüchtlingsheime holte die pakistanische Fußpflegerin Nisar Tahir junge Männer auf das Cricketfeld.
Jurybegründung:
„Das große Thema Integration – herunter gebrochen auf eine gleichermaßen kleine wie außergewöhnliche Episode. Die pakistanische Fußpflegerin Nisar Tahir baut mitten in Bremen mit Flüchtlingen ein Team für den Volkssport ihres Heimatlandes auf: Cricket. Die vermeintlich ungebildeten „Fremden“ vom Hindukusch haben auf diese Art und Weise plötzlich festen Boden unter den Füssen und können ihre Talente und Fähigkeiten voll ausspielen... und sie können den Hiesigen sogar noch etwas beibringen. "Home Ground" – fern der Heimat und im besten Sinne des Wortes. "Gute Stoffe liegen wie reife Äpfel rechts und links des Weges" (Ray Bradbury). Dass die Macher dieses Projektes diesen reifen Apfel am Weg gefunden haben, ist ein absoluter Glücksfall.“
Alexandra Hardorf
Geboren in Buenos Aires 1972. 1991 Studium der Kulturwissenschaft und Romanistik, Schwerpunkt Medien und Eethnologie. 1995 Schauspielstudium.1997 Kameraassistentin, Script/ Continuity bei diversen Film- und Fernsehproduktionen (Männer von K3, Die Semmelings). 2004 Scipt/ Continuity, Regieassistentin bei diversen Film- und Fernsehproduktionen (Tatort, Verrückt nach Paris, Paula Geschichte einer Malerin). 2007 Regie und Produktion eigener Kurzfilme, Auszeichnung 1. Platz beim Ohne Kohle Filmfestival 2006 in Wien. Seit 2010 Producer, Redaktion, Autorin u.a. für ARTE, ZDF, NDR, SWR.
Zehn Worte. Episode III: Wanda Wilkomirska Christine Jezior (Bremen)
4.000 € – Produktion Dokumentarfilm
Zehn Gebote. Zehn Geschichten. Eine Stadt. In kurzen Episoden, die intime Einblicke in vollkommen verschiedene Lebensgeschichten und Entwürfe gewähren, entsteht das facettenreiche Bild einer aktuellen Auffassung von Ethik und nebenbei das komplexe Portrait einer Stadt und ihrer Bewohner.
Jurybegründung:
„In zehn kurzen Episoden werden Lebensgeschichten und Entwürfe portraitiert, die einen feinfühligen Einblick in das soziale Gefüge der Stadt Bremen gewähren. Die Regisseurin Christine Jezior nutzt die zehn Gebote als einen philosophischen und thematischen Leitfaden, der es ihr ermöglicht in die Tiefe ihrer sorgfältig gewählten Protagonisten vorzudringen. Dabei entsteht ein zusammenhängendes Mosaik, wo die Fragen der Ethik in den aktuellen Fokus gerückt werden. Ein zutiefst menschliches und somit poetisches Projekt, dass nicht nur Bremer und Bremerinnen berühren wird.“
Christine Jezior,
in Polen geboren, ist eine Drehbuchautorin, Regisseurin und Filmproduzentin von Dokumentarfilmen. Ihre Produktionsfirma MAAM widmet sich überwiegend Künstlerbiografien.
Koexistenz Johann Büsen (Bremen)
3.000 € – Produktion 360° Reality Video
Surrealer Episodenfilm, der mit Elementen aus Theater und Performance spielt. Dank 360 Grad Rundumblick und modernster Technik sind wir durch die VR-Brille mitten ins Geschehen eingebunden.
Jurybegründung:
„Das Projekt erforscht neue narrative Erzählformen und ist ein spannendes Experiment in Bezug auf das Medium der virtuellen Realität. Der packende inhaltliche Ansatz im Kontext mit der formellen Fragestellung nach der Möglichkeit des Einbindens des Zuschauers wird auf spannende Weise miteinander in Verbindung gebracht.“
Johann Büsen
1984 in Paderborn geboren, studierte 2005-2010 an der Hochschule für Künste in Bremen und lebt als freischaffender Künstler in Bremen. Seit 2003 hat er an diversen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland teilgenommen.
2017 gestaltete Johann Büsen den Bremer Kunsttunnel neu: Rabit Hole heißt die 500 qm Arbeit.
Nerds 4 Fame Lars Czekalla (Bremen)
3.000 € – Produktion Komödie
Eine Komödie über Rollenspielklischees und die nicht ganz alltäglichen Probleme des Alltags.
Jurybegründung:
„In vier Kurzgeschichten wird einer der wichtigsten Generationenkonflikte schlechthin aufbereitet: Ergraute Gamer vs. heranwachsende Gamer. Der Autor und Regisseur Lars Czekalla stellt die 1. Gamer-Generation (Eltern) und die 2. Gamer-Generation (ihre Kinder) auf humorvolle und politisch unkorrekte Art und Weise gegeneinander auf – unüberwindbare Konflikte sind die Konsequenz. Dennoch schaffen es aber beide Generationen die Spielleidenschaften der anderen im Kern zu respektieren und zu würdigen. Eine Begegnung auf Augenhöhe ist die Folge. Lars Czekalla versteht es in seinen Geschichten Eltern und ihre Kinder näher zusammenzurücken und einander Halt zu geben – Computerspiele machen es möglich. Diese generationsübergreifende Vision ist nicht nur zeitgemäß und modern, sondern bietet vielfältige Auswertungsmöglichkeiten nicht nur innerhalb der Gamerszene, sondern auch im digitalen und transmedialen Bereich, (wo sich moderne Familien wieder begegnen können).“
Lars Czekalla
hat am SAE Institut in Hamburg 2014 einen Videoproduktionskurs absolviert und anschließend das Produktionswochenende zum Promofilm zu „Soul of the Dragon“ organisiert und geleitet. In der Fantasyszene ist er seit der Veröffentlichung seines ersten Romans „Shaphiriane und die Seele des Drachen“ 2011 unterwegs. Wenn er gerade nicht in den Ferien am Filmset unterwegs ist, arbeitet er als Lehrer und leitender Landestrainer Leichtathletik an der Oberschule an der Ronzelenstraße in Bremen.
Heimatlos Hassan Sheidaei (Bremen)
2.500 € – Produktion Dokumentarfilm
Es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den sanitären Anlagen in Europa und Asien. Der Film thematisiert anhand dieses Unterschiedes die Probleme der Integration bei einem Flüchtling, der sich damit überfordert fühlt.
Jurybegründung
„Der Stoff überzeugt mit seiner ungewöhnlichen Thematik und dem Ansatz, etwas profanes – die Toilette – als Symbol für die Schwierigkeiten der Integration zu nutzen. Der ungewöhnliche Schwerpunkt in Verbindung mit dem nordischen Humor macht den Film zu einer thematischen Perle.“
Hassan Sheidaei
geboren 1984 in Teheran, Iran 2003-2007 Studium Grafik an der Elm va Farhang Universität, Teheran 2009-2011 diverse künstlerische Tätigkeiten und Ausstellungen in Teheran. Seit 2012 Studium der Freien Kunst bei Prof. Markus Löffler/Andree Korpys und Prof. Ingo Vetter an der Hochschule für Künste Bremen. 2015 Publikumspreis von 52. Young Collection, 2015 Mikroförderung Filmbüro Bremen für MEIN SOHN, 2016 Videokunst Förderpreis Bremen. Mehrere Filmaufführungen, u.a. im Rahmen des GartenKultur-Musikfestivals in Syke (August 2013), Braunschweig (November 2013), Stadtwaage Bremen (November 2013), Künstlerhaus Bremen (Juli 2014) u.a. 1.Automaten Futterladen in Bremen (Mai 2017), Ausstellung in der Weserburg Bremen (04.März- 21.Mai.2017). Zurzeit überwiegend tätig im Filmbereich.
Information
Filmstart Bremen - Projektstipendium
Saskia Wegelein-Golovkov
Mail: (Email-Adresse)
Telefon: 0421-7084891
Die bisherigen Förderrunden des Projektstipendiums:
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