Für den Ernstfall von Knut Karger.

Ein Dokumentarfilm aus dem Jahre 2006.

Für den Ernstfall

Für den Ernstfall
Für den Ernstfall

Dokumentarfilm, 2006, 43:00 Min
Buch: Knut Karger
Regie: Knut Karger
Schnitt: Knut Karger
Kamera: Petra Wallner
Ton: Boris Tomschiczek, David Vogel, u.a.
Produktion: HFF München, luethe, schneider film
Der Kalte Krieg endete 1989 und damit die akute Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung zwischen den Supermächten. Trotzdem gibt es für den Ernstfall im gesamten Bundesgebiet Bun- ker, die vor atomaren, biologischen und chemischen Waffen schützen sollen. Die BRD bevorratet für den Ernstfall Lebensmittel und hält Erdölreserven bereit. Aus zeitlicher Distanz, nach Öffnung der Archive und der Liberalisierung militärischer Geheimnisse lässt sich der Wahnsinn eines Krieges besser begreifen. Wie vorbereitet war und ist der Ernstfall?

Notausstieg eines Atombunkes im Zentrum einer Großstadt
Notausstieg eines Atombunkes im Zentrum einer Großstadt
Tafel an einem Weltkriegsbunker, Berlin
Tafel an einem Weltkriegsbunker, Berlin
Atombunker in einem U-Bahnhof, hinter den Abdeckungen befinden sich Räume und sanitäre Einrichtungen für die Evakuierten
Atombunker in einem U-Bahnhof, hinter den Abdeckungen befinden sich Räume und sanitäre Einrichtungen für die Evakuierten
freigelegte Aufschrift in einer Unterführung
freigelegte Aufschrift in einer Unterführung

Die Lebensmittelreserven reichen bei einer Vollversorgung für 14 Tage - für die Hälfte der Bevölkerung. Regelmäßig werden die Bestände ausgetauscht, die Reserven müssen "abverkauft" und neue eingebunkert werden. Oft gehen die Lebensmittel als humanitäre Hilfe ins Ausland - in Kriegsregionen und in Krisengebiete zum Beispiel nach Erdbeben. Deutsche bekamen etwas von den Reserven 1998 beim Hochwasser im Oderbruch oder beim Elbehochwasser. Davor gab es einen Fall, in dem die Vorräte angerührt wurden: 1986 verteilte die Bundesregierung 1.000 Tonnen Milchpulver an die in Deutschland lebenden Kleinkinder, das war nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl.
"Für den Ernstfall" beschreibt einen Filmessay, der eine Gedankenreise ist "Was wäre gewesen, wenn..." oder "Was wäre, wenn...". "Für den Ernstfall" geht von der Sichtbarmachung von Einrichtungen in der heutigen Bundesrepublik aus, die normalerweise unsichtbar sein sollten. "Für den Ernstfall" ist mein persönlicher Gedankenweg durch Bedrohungsszenarien, durch Schutzräume, durch Überlebensstrategien und - phantasien. Meine Kindheit verbrachte ich Ende der Siebziger und in den Achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Achtziger Jahre waren dominiert vom gegenseitigen Rüstungswettlauf der Supermächte. 1984 standen an der deutsch-deutschen Grenze 108 Pershing II Raketen und 98 Marschflugkörper auf der Seite der BRD und ca. 200 atomare SS-20 Mittelstreckenraketen auf der Seite der DDR, alle bereit, in wenigen Minuten gezündet zu werden. Schon in den Sechziger Jahren, während der ersten atomaren Block-Konfrontation, werden in der Bundesrepublik und in der DDR die ersten Atombunker gebaut. Zunächst geht es um die Nutzbarmachung von alten Weltkriegsbunkern für den zivilen Bevölkerungsschutz, später werden mit dem Ausbau von U-Bahnhöfen, Bahnhöfen und Tiefgaragen sogenannte Mehrzweckanlagen errichtet. "Der gute Mann baut tief", hieß es in einer Broschüre, die das Bundesministerium für Wohnungsbau damals herausgegeben hat. Bis in die Achtziger Jahre entstehen unter öffentlichen Neubauten Atomschutzbunker, oft wissen die darin arbeitenden Menschen nichts von den Einrichtungen im Kellergeschoss. Unter manch einer Schule wird ein Notkrankenhaus eingerichtet, wobei das auffälligste Merkmal der behindertengerechte Fahrstuhl ist, der die Größe hat, dass ein Krankenbett hinein passt. Als 1989 die osteuropäischen Herrschaftsregimes zusammenbrechen, verschwindet die akute Gefahr eines nuklearen Weltkrieges. Veraltete Bunker, die für Länder und Bund hohe Kosten auslösen, werden zurückgebaut, medizinisches Inventar und Medikamente werden in Dritte-Welt-Staaten geliefert. Trotzdem bleiben viele Schutzräume bestehen, werden weiter gewartet und betriebsbereit gehalten. In jeder Großstadt stehen der Bevölkerung immer noch Zivilschutzplätze zur Verfügung.
Auch in Bremen gibt es diese Atombunker - oft sind es Mehrzweckbauten, die im Rahmen von zivilen Bauprojekten entstanden sind, z.B. "transformierbare" Tiefgaragen. Andere Bunker wurden geheim angelegt, bzw. es sind Erweiterungs- bzw. Erneuerungsbauten von alten Weltkriegsbunkern. Bremen bietet mit dem "Blick zurück" auch Indizien für die Anfänge des "Bunkerbauens" - verteilt über das Gebiet der Hansestadt stehen Hochbunker aus dem 2. Weltkrieg, oft großflächig und offensiv bemalt. Heute dienen sie als Lagerräume für den Zivilschutz oder sind versiegelt worden.
"Für den Ernstfall" betrachtet ein politisches Thema der Atomrüstung und -abschreckung aus den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Vielleicht ist es ein verspäteter Diskurs, aber sicherlich lässt sich dieser Stoff, nach der Öffnung von Archiven, der Liberalisierung von militärischen Geheimnissen und der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Experimenten, mit einer zeitlichen Distanz besser beurteilen. Viele Fakten, die damals als gesicherte Realität galten, erweisen sich heute als Dinge aus dem "Wald der Fiktionen", ebenso gilt der Umkehrfall, dass es Tatbestände gibt, die jede (zivil) menschliche Phantasie übertreffen. Nicht zuletzt setzen sich die in der Vergangenheit begonnenen Taten in die Zukunft fort: Bunker bestehen weiter, staatliche Vorräte werden angelegt, militärische Szenarien, Ideologien und Abschreckungsdoktrinen werden weiter ausgearbeitet.
Bremiere im Heimspiel am 22.02.07

Aufführungen und Preise

Int. Dokumentarfilmfest München 4.-11.Mai 2006
Heimspiel Bremen 36 am 22.02.2007

CINEMA DU REEL 2007, Paris: PIERRE AND YOLANDE PERRAULT GRAND für den besten Nachwuchsfilm.

Produktion

Luetje & Sschneider Filmproduktion GbR
Web: www.luethje-schneider.de
Mail: (Email-Adresse)
Telefon: 089 - 64981-441

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